Wir haben in den letzten Monaten alles gegeben, um die Einhaltung des Denkmalschutzes bei der Gasometer-Bebauung sicherzustellen, aber letztlich hat sich wieder einmal der Euref-Investor Reinhard Müller mit seinen Interessendurchgesetzt. Am Mittwoch, 23. Juni 2021, hat die BVV in einer ganz großen Koalition von CDU, SPD, FDP, Grünen und AFD die Planreife für den überdimensionierten Büroturm im Gasometer auf dem Euref-Gelände beschlossen. Lediglich die Linken-Fraktion und ein Verordneter der Grünen stimmten dagegen. Das bedeutet, dass Müller trotz aller Proteste von nationalen und internationalen Denkmalschützern den Gasometer nahezu vollständig zubauen kann.

Der Beschluss kam einmal mehr ohne rechtsverbindliche Zusagen Müllers zustande, wieder verlässt sich der Bezirk auf Versprechungen, die der Euref-Chef auch in der Vergangenheit nicht eingehalten hat. Der Vertrag für die Sanierung der Torgauer Straße wurde bisher nicht unterzeichnet, da sich Müller weigert, die notwendigen Gelder für die Baukosten als Sicherheit zu hinterlegen. Wir sind auf die Nachrichten zu diesem Thema in den nächsten Wochen gespannt.

Öffentlichkeit unerwünscht

Bemerkenswert an der Sitzung war auch, dass die Öffentlichkeit weitgehend ausgeschlossen wurde. Aufgrund der Corona-Beschränkungen wurde in der ersten Präsenzsitzung nach langer Zeit lediglich ein Nebenraum im Rathaus für Interessierte reserviert, für den man sich am Tag vorher hätte anmelden müssen. Die Änderung des Prozederes wurde erst sehr kurzfristig öffentlich gemacht, sodass die Informationen für die meisten Interessierten viel zu spät kamen, um die Sitzung verfolgen zu können. Eine Live-Übertragung auf Youtube wie in den vergangenen Monaten wurde von der CDU-Fraktion mit Hinweis auf die Geschäftsordnung der BVV verhindert. So sieht Bürgernähe und Digitalisierung in Tempelhof-Schöneberg im Jahr 2021 aus!

Zuvor hatte die BI „Gasometer retten!“ zusammen mit über hundert UnterstützerInnen vor dem Rathaus Schöneberg gegen den bevorstehenden Beschluss demonstriert. Elisabeth Ziemer (ehem. Schöneberger Bürgermeisterin von den Grünen), Harald Gindra (MdA, Linke) und die Bezirksverordnete Christine Scherzinger (Linke) unterstrichen einmal mehr den Irrsinn der Komplettbebauung. 

Wie geht es weiter? Klagen können gegen den Beschluss nur unmittelbar am Gasometer Wohnende oder Verbände. Was sich hier ergibt, bleibt abzuwarten.

Das Thema Gasometer bleibt

Wir werden aber nicht zulassen, dass das Thema bis zu den Wahlen von der Tagesordnung verschwindet. Vor allem Behauptungen der Grünen, die jetzt gestreut werden, um sich von den anderen Parteien abzusetzen, werden wir nicht unwidersprochen lassen. Wenn der Fraktionsvorsitzende Rainer Penk behauptet: „Es waren unsere Fraktion und die von uns gestellten Stadträte, die in den vergangenen Jahren den Anliegen der Anwohner Gehör verschafften und in den schwierigen Verhandlungen eine Stimme gaben. Demgegenüber waren SPD und CDU immer wieder bereit, alle Wünsche des Investors widerspruchlos zu erfüllen“, dann ist das weniger als die halbe Wahrheit. Die einzigen Grünen, auf die das zutrifft, sind die Stadträtin Christiane Heiß, die inzwischen von den Grünen nicht wieder für die nächste Legislaturperiode aufgestellt wurde, und der Bezirksverordnete Wolfgang Höckh, der am 23. Juni gegen die Planreife votierte.

Der grüne Baustadtrat und Bürgermeisterkandidat Jörn Oltmann war in den letzten Jahren die treibende Kraft hinter dem Komplettausbau des Gasometers. Anliegen der Anwohner wurden ignoriert, der Bezirksverband der Grünen nutze Werbematerialien von Euref ohne Kennzeichnung, um in bestem PR-Sprech Stimmung für die Müller-Pläne zu machen. Oltmann wird im Herbst die Stimmen anderer Parteien brauchen, die Grundlage dafür wurde am Mittwoch gelegt.

Es darf nicht sein, dass der nächste Bürgermeister von Tempelhof-Schöneberg auf diesen Stuhl kommt, indem er ein Wahrzeichen des Bezirks und der Stadt geopfert und sich über die Interessen der Menschen im Bezirk hinweggesetzt hat.