Was sagt der Denkmalschutz?

Gasometer seit 1994 unter Denkmalschutz

Der Gasometer auf der Schöneberger Insel wurde 1994 unter Denkmalschutz gestellt. Mit seinen 78 Metern Höhe war der Niederdruckgasbehälter „Schöneberg IV“ der größte der einstmals vier Gasspeicher auf dem Gelände des Gaswerks Schöneberg. Der riesige Teleskopbehälter, der sich im Inneren des Gasometers befand und rund 80 Jahre lang die Berliner Stadtgasversorgung regelte, wurde nach der Stilllegung entfernt. 

Das dadurch freigelegte, weithin sichtbare Stahlgerüst ist das eindrucksvollste architektonische Zeugnis der Geschichte der Stadtgasversorgung auf dem – unter der Nummer 09066707 in die Berliner Denkmalliste aufgenommenen – ehemaligen GASAG-Gelände.

Denkmalbehörde sieht Gasometer als städtebauliche Dominante

Für den Denkmalschutz stand schon bald nach der Stilllegung des Gasometers fest, dass die monumentale und zugleich filigrane Stahlkonstruktion für das Stadtbild von besonderer Bedeutung ist. 

Im derzeit gültigen Bebauungsplanentwurf 7-29 für das Gelände an der Torgauer Straße, das im Jahr 2007 von dem Investor Reinhard Müller gekauft wurde und seither unter dem Titel Europäisches Energieforum (EUREF) vermarktet wird, heißt es zur Bebauung des Gasometers: „Die Funktion des Gasometers als stadtbildprägende Anlage wird im Zuge der Bebauung des Geländes erhalten bleiben. […] Der Gasometer soll mit einem Gebäude ausgefüllt werden, sodass drei Stahlringe (zwei Felder) frei bleiben. Durch die Maßnahme werden die denkmalgeschützten Gebäude in ihrer Substanz gesichert und einer neuen Nutzung zugefügt. Der Gasometer bleibt die städtebauliche Dominante.“

Dass die Bebauung des Innenbereichs des Gasometers bis zu dieser Höhe zugelassen wurde, gilt unter Kenner*innen der Materie bereits als weit reichendes Zugeständnis des Denkmalschutzes. Dass diese Begrenzung nach Wunsch des Investors nun aufgehoben werden soll und der Baustadtrat von Tempelhof-Schöneberg Jörn Oltmann (Bündnis 90/Die Grünen) und die Bezirksbürgermeistern Angelika Schöttler (SPD) dieses Ansinnen bereitwillig unterstützen, empört viele Denkmalschützer*innen und Anwohner*innen.

Landesdenkmalrat äußert Befremden über neue EUREF-Pläne

Dem Landesdenkmalrat, der als interdisziplinär besetztes Beratungsgremium den Denkmalschutz im Land Berlin berät und seine Stellungnahmen üblicherweise abgewogen formuliert, ist der Unmut deutlich anzumerken. In seiner Sitzung vom 6. März 2020 kommt er im Hinblick auf die neuen Pläne des EUREF-Investors Müller zu folgendem Ergebnis: „Der Landesdenkmalrat nimmt mit Befremden zur Kenntnis, dass in den aktuellen Planungsüberlegungen für eine Bebauung innerhalb des Gasometers die Vorgaben des Landesdenkmalamtes und die Empfehlungen des Landesdenkmalrats von 2016 offenbar nicht beachtet werden. Er verweist mit Nachdruck hierauf und stellt fest, dass das filigrane Gerüst des Gasometers bei der projektierten Bebauung nicht mehr angemessen wahrzunehmen sein wird.“

Landeskonservator hält an bisherigen Vorgaben fest

Entscheidende Instanz für den Denkmalschutz in Berlin ist der Landeskonservator und Direktor des Landesdenkmalamtes Dr. Christoph Rauhut. Er hat immer wieder – zuletzt in einem Fernsehbeitrag für die rbb-Abendschau vom 6. September 2020 – darauf hingewiesen, dass die beiden oberen Felder und die drei oberen Stahlgerüstringe des Gasometers bei einer Bebauung im Inneren frei bleiben müssen. 

Zugleich kritisieren die Denkmalschützer*innen, dass die dringend notwendigen Maßnahmen zur denkmalgerechte Sanierung und zum Schutz des Stahlgerüsts durch den Eigentümer nach wie vor nicht durchgeführt wurden und mahnen deren Umsetzung an. 

Die Bürgerinitiative „Gasometer retten!“ unterstützt diese Anliegen und fordert daher:

  • Vor jeder Form der Bebauung:  vollständige und fachgerechte Umsetzung aller von der Denkmalschutzbehörde geforderten Maßnahmen zum Erhalt des Industriedenkmals durch den Eigentümer und  Investor des EUREF-Geländes!
  • Keine Bebauung des Gasometers, die das denkmalgeschützte Stahlgerüst in irgendeiner Weise gefährden oder beschädigen könnte!  
  • Keine Änderung des Bebauungsplanentwurfs, die eine Bebauung des Gasometers über die vom Denkmalschutz vorgegebene Höhe im Bereich der oberen drei Stahlgerüstringe ermöglicht!